Das Schicksal der Kinder des Lir

Die Milesier siegten in der Schlacht von Tailltin, dem heutigen Teltown im County Meath, über die Tuatha de Danaan. Diese zogen sich in ihre Feenhügel (Sidhe) zurück und wählten sich Bodb Derg zum König. Tief enttäuscht darüber, dass er nicht gewählt wurde, verließ Lir die Versammlung der Fürsten, ohne dem neuen König seine Referenz zu erweisen. Dies erboste diese so sehr, dass sie ihn angreifen und sein Haus niederbrennen wollten.

"Dies werden wir nicht tun" sagte Bodb Derg, "denn ich bin gleichwohl König der Tuatha de Danaan, auch wenn Lir sich nicht beugt".

Nach einiger Zeit wurde Lir von einem großen Unglück heimgesucht: Seine Frau starb nach dreitägiger Krankheit. Lir war von ihrem Tod so schwer getroffen, dass er schwermütig wurde. Die Kunde von diesem Ereignis verbreitete sich rasch über Irland und als Bodb Derg davon hörte, bot er ihm an, er möge von den drei Töchtern des Oilell of Aran, die Bobd Derg an seinem Hofe erziehen ließ, eine zur Frau nehmen.

Lir wählte Aobh, die Älteste, und verweilte 14 Tage am Königshof von Bodb Derg. Aobh schenkte ihm Zwillinge, eine Tochter und einen Sohn, Fionnuala und Aobh. Noch einer Weile kam sie noch einmal nieder mit Zwillingen, den beiden Jungen Fiachra und Conn, starb jedoch selbst bei der Geburt.

Dieses neuerliche Unglück lastete schwer auf Lir, und nur die Liebe zu seinen vier Kinder konnte verhindern, dass er vor Gram starb.

Als die Kunde davon Bodb Derg ereilte, gab er ihm seine mittlere Ziehtochter, Aoife, zur Frau. Die Kinder wuchsen heran und und waren ob ihrer Schönheit bekannt im ganzen Land. Ihr Vater liebte sie über alle Maßen und auch Bodb Derg besuchte oft das Haus von Lir, um die Kinder zu sehen.

All dies weckte im Laufe der Jahre die Eifersucht in Aoife. Schließlich schmiedete sie einen grausamen Plan gegen die Kinder. Sie ließ ihre Kutsche anspannen, nahm die vier Kinder mit sich, angeblich um zum Haus von Bobd Derg zu fahren. Fionnuala hatte durch einen Traum Kenntnis vom Vorhaben ihrer Schwiegermutter, konnte jedoch ihrem Schicksal nicht entrinnen.

Unterwegs befahl Aoife ihren Dienern, die Kinder zu töten und versprach ihnen dafür alle Schätze der Welt. Diese weigerten sich jedoch, den Befehl auszuführen. Deshalb musste Aoife selbst zum Schwert greifen, brachte es dann jedoch nicht über sich.
Sie wendete sich westwärts zum Lough Derravaragh, dem Eichensee, und forderte die Kinder auf, zu baden. Sobald sie im Wasser waren, berührte Aoife sie mit einem Druidenstab und verwandelte sie in vier Schwäne.

Fionnuala machte Aoife die bittersten Vorwürfe und konnte sie schießlich überreden, den Zauber zeitlich zu begrenzen. Und Aoife sprach:"Ihr werdet so lange Schwäne bleiben, bis der Königssohn des Nordens und die Königstochter des Südens sich finden, zuvor jedoch werdet ihr dreihundert Jahre auf Lough Derravaragh leben, dreihundert auf Carraig na Ron in der Sruth na Maoile (Straits of Moyle bzw. Nordkanal) zwischen Irland und Alban (Schottland) und dreihundert auf Irrus Domnann (Erris) und Inis Gluaire (Inishglora)".

Erris Head auf Belmullet
Dritte Station der Schwanenkinder des Lir
Von: pilled     
Aoife überkam die Reue, und so lies sie ihnen wenigstens die menschliche Stimme.

Als Aoife den Hof von Bodb Derg erreichte und dieser sie fragte, wo die Kinder seien, sagte sie ihm, Lir habe kein Vertrauen in ihn und befürchte, er könne sie ihm für immer nehmen. Doch Bodb Derg, der Sohn des Dagda, traute ihr nicht und schickte Boten zu Lir. Als dieser hörte, was Aoife von ihm gesagt hatte, wusste er sofort, dass Aoife den Kindern etwas Schreckliches zugefügt hatte. Früh am Morgen ritt er nach Südwesten, und als er Lough Derravaragh erreichte, wunderte er sich sehr über die Schwäne mit den menschlichen Stimmen.

"Wir sind deine vier Kinder, verwunschen von deiner Frau", sagte Fionnuala, "neunhundert Jahre müssen wir in dieser Gestalt leben. Niemand auf der Welt kann uns vor diesem Schicksal bewahren". Lir jedoch sprach: "Wenn ich euch denn nicht helfen kann, eure menschliche Gestalt wieder zu erlangen, so will ich Euch die Gabe verleihen, so herrlich singen zu können, dass alle Menschen Euch verzückt lauschen und in seligen Schlummer sinken werden". Und er warf Haselnusskerne in den See, die von den Schwänen verschlungen wurden.

Und in dieser Nacht hörten er und seine Männer den lieblichen Gesang der Schwäne. Am anderen Morgen jedoch waren die Schwäne fort. Als Bodb Derg vom Schicksal der geliebten Kinder erfuhr, ergrimmte er sehr und verwandelte Aoife in einen Dämon der Lüfte bis ans Ende aller Tage. Und er befahl, von nun an dürfe in ganz Irland kein Schwan mehr getötet werden.

Der Schwanengesang der Kinder zog die Tuatha de Danaan und die Milesier magisch an und sie kamen an den Eichensee, um ihrem Gesang zu lauschen. Eines Tages jedoch, als die ersten dreihundert Jahre verflossen waren, schwangen die Schwäne sich auf und flogen davon. Seefahrer berichteten manchmal, am Felsen der Seehunde (Carraig na Ron) in den Straits of Moyle ein Schwanenweibchen gesehen zu haben, das unter ihren Fittichen drei Schwäne vor dem kalten Wind schützte und meinten, es müsse wohl Fionnuala gewesen sein mit ihren Brüdern.

Lange Zeit litten sie unter der Kälte, dem Schnee, dem Salz des Meeres und dem Wind und als sie auf dem Seehundsfelsen ausruhten, froren sie fest und mussten die Haut ihrer Füße und die Federn an ihren Flügelspitzen auf dem Felsen zurück lassen. Jeden Tag flogen sie an die Küste Irlands oder Albans (Schottland), jedoch mussten sie abends immer zum Seehundsfelsen zurückkehren.

Als sie eines Tages zur Mündung des Bann in Nordirland flogen, sahen sie eine Gruppe Reiter. Zu Ihrer grußen Freude erkannten sie zwei Söhne von Bodb Derg, Aodh Aithfhiosach und Fergus Fithchiollach, die schon ganz Irland nach ihnen abgesucht hatten. Fionnuala klagte ihnen in einem wehmütigen Gedicht ihr Leid.

Sie verglichen ihr jetziges Schicksal mit der glücklichen Zeit im Palast ihres Vaters. "Einst waren wir in Purpur gekleidet, speisten im Überfluss, tranken Haselnusswein aus goldenen Bechern und schliefen in weichen Betten, die mit den Brustfedern von Vögeln gefüttert waren. Jetzt jedoch suchen wir unsere Nahrung im Sand, trinken salziges Wasser und suchen Unterschlupf auf kahlen Felsen in stürmischer See".

Allen fiel die Trennung schwer, doch auch ihre Zeit im Norden neigte sich dem Ende zu und eines Tages sagte Fionnuala zu ihren Brüdern: "Es ist die Zeit gekommen, da wir diesen Platz verlassen müssen, um nach Erris zu fliegen". In der Nacht, in der sie die Halbinsel Belmullet erreichten, war die ganze See gefroren bis Achill Island, ihre Brüder klagten, doch Fionnuala tröstete sie und sagte, "die Zeit wird kommen, und wir werden zurückkehren in das Haus unseres Vaters".

Eines Tages war auch diese Zeit um und sie flogen zurück zum Sid Fionnachaid, doch zu ihrem großen Entsetzen fanden sie den Ort verlassen und leer, von Brennesseln überwuchert. Sie pressten sich eng aneinander und klagten laut: "Wie bitter ist es für uns, diesen Ort so zu finden, ohne Haus, ohne Herd, ohne Frauen und Könige, ohne Hunde für die Jagd, ohne Musik und Fröhlichkeit".

Am nächsten Morgen in aller Frühe verließen sie den Ort ihrer Kindheit wieder und flogen nach Inishglora (Inis Gluaire) vor der Küste von Belmullet. Dort versammelten sie sich mit vielen anderen Vögeln an einem kleinen See, der deshalb Loch na-n Ean, See der Vögel genannt wurde.

Es war aber gerade die Zeit, in der der heilige Patrick nach Irland gekommen war, und eines Tages kam ein Mönch nach Inishglora, Mochaomhog. Als die Kinder des Lir seine Glocke hörten, erschraken über deren schwachen, unangenehmen Klang, der fremd für ihre Ohren war. Doch mit der Zeit freundeten sie sich an mit St. Mochaomhog, der für sie zwei Silberkettchen anfertigen ließ, mit der einen verband er Fionnuala und Aodh, mit der anderen Conn und Fiachra. Endlich hatten sie einen Platz gefunden, an dem sie keine Not litten und sich sicher fühlten.

Zu dieser Zeit nahm der König von Connacht, Lairgnen, Sohn des Colman Deoch, Tochter von Finghin, zur Frau. Damit erfüllte sich die letzte Prophezeiung von Aoife, dass der Prinz des Nordens die Prinzessin des Südens heiraten werde. Deoch jedoch hörte von den wunderbaren Schwänen und verlangte sie von Lairgnen als Brautpreis, vorher würde sie nicht zu ihm gehen.

Lairgnen ergrimmte sehr, ging zur Hütte des Mönches und verlangte von ihm die Schwäne. Als dieser sie ihm verweigerte, zerrte er die erschrockenen Vögel an ihren Ketten vom Altar herunter, um sie Deoch zu bringen. Doch kaum hatte er Hand an sie gelegt, fiel das Gefieder von ihnen ab und er erblickte statt der vier Schwäne drei alte, gebeugte und ausgemergelte Alte und eine hinfällige Greisin. Furchtbar erschrocken lief Lairgnen davon.

Fionnuala jedoch sprach zu Mochaomhog: "Wir haben nun nicht mehr lange zu leben. Taufe uns und wenn die Zeit gekommen ist, begrabe Conn an meiner rechten Seite, Fiachra an meiner linken und Aodh vor mir zwischen meinen Armen".

Und so geschah es, dass sie in derselben Stellung begraben wurden, in der sie so oft vor Sturm und Kälte Schutz gesucht hatten. Mochaomhog errichtete einen Grabstein darauf, auf dem ihre Namen in Ogham geschrieben standen.


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Quellen:
Lady Gregory: Complete Irish Mythologie, The Slaney Press, 1994.